Die Wogen schlagen hoch und manch eine „schnelle Lösung für dieses Problem“ wird gerne und laut in den öffentlichen Raum geschickt. Die sozialen Medien sind hier Katalysator und Multiplikator von Meinungen. Es sind aber nicht nur anonyme Hetzer, sondern auch aus dem politischen Raum werden schnelle Lösungen gefordert. Fordern ist ja immer gut, oder?

Was ist denn geschehen?

Was man aus den Zeitungen erfahren kann, hat es eine Messerstecherei am Wilhelm-Dörpfeld-Gynasium gegeben. Am 22.02.2024 gab es eine Alarmmeldung um 10:00 Uhr, die dann auch schon um 10:20 Uhr durch die Überwältigung des Täters geklärt werden konnte. Nach ersten Informationen gab es 4 Verletzte und das SEK NRW sicherte die Umgebung weitläufig, um weitere Straftaten auszuschließen. Unverzüglich wurde das Notfallprogramm angefahren, Psychologen und Ermittler nahmen ihre Arbeit auf.

Zweifellos ein schreckliches Ereignis. Derartige Nachrichten nahm man bisher nur aus den USA wahr.

Und so wundert es nicht, daß der Ruf nach härten Strafen und übliche Instantlösungen von Möchtegernmeinungsmachern die Runde machen.

Mein Eindruck zu dieser Tat

  1. Wir wissen doch noch nichts Genaues. Noch hat niemand eine echte Situationsanalyse vorgenommen. Wer war der Täter und was seine Motivation? Inwieweit hatte ein psychisches Problem Einfluß? Inwieweit wurde im Vorfeld der Erkrankung Vorsorge getroffen? Wie waren die genauen Umstände? Gab es Provokation oder einen anderen Anstoß zu dieser Tat?
  2. Welche Rolle spielen hier Mitschüler und Schulleitung?
  3. Welche Rolle spielt das Elternhaus und privates Umfeld?
  4. und noch viele andere Fragen gehören zu einem vollständigen Meinungsbild. Eine Vorverurteilung, von wem auch immer, ist kategorisch abzulehnen.

Sicherlich gehören nicht alle Fragen und deren Antworten in den öffentlichen Raum. Diese werden von Fachleuten aufgenommen und in die Waagschale geworfen. Zuletzt wird sich dann eine Jugendkammer mit dem Vorfall beschäftigen und wir alle dürfen beten, daß diese mit großer Umsicht und Weisheit gesegnet sind.

Harte Strafen fordern?

Reflexartig gibt es bei derartigen Geschehnissen eine Forderung nach harten und manchmal gar drakonischen Strafen. Diese reichen sogar bis „lebenslänglich wegsperren“ (lebenslängliche Haftstrafen).

Hierzu muß man wissen, daß die deutsche Rechtsprechung für Minderjährige (Jugendliche) eine andere Sichtweise für Straftaten hat. Es geht vorrangig nicht um Bestrafung, sondern um Zurechtbringung des Straftäters. Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf bzw. zehn Jahre. Dies erscheint im ersten Augenblick zu milde zu sein, ist aber in der Regel angesichts der besonderen Lage der Jugendlichen durchaus angemessen und maßvoll.

Jugendliche stehen an der Schwelle zum Erwachsenensein und sind sozial und hormonell in einem Ausnahmezustand. Diese Zeit erlebt jeder Menschen unterschiedlich und in dieser Phase brauchen junge Menschen Unterstützung, Unterweisung und sehr viel Geduld und Liebe. Und trotzdem kommt es dann doch zu manch einer Eskalation, die auf beiden Seiten so nicht gewollt ist.

Jeder Mensch ist wertvoll

Harte Strafen sind keine Lösung. Dies zeigen Gesellschaften, die es heute auch noch gibt, die in der Vergangenheit mit ihrem harten Vorgehen auch nicht DIE Lösung vorweisen können. Dem „Dieb die Hände abhacken“ ist keine Lösung, sondern Rache. Und Jugendliche verdienen besonderen Schutz – immer; auch nach Straftaten. Dass Jugendstrafrecht kennt hier Erziehungsmaßregeln, Zuchtmitteln und Jugendstrafe als Möglichkeiten und diese sollten in den allermeisten Fällen ausreichen.

Ein extremer Einzelfall kann hier zu einem neuen Nachdenken über diese Regeln führen, eine Diskussion in den maßgeblichen Gremien erfordert Zeit und viel Weisheit.

Erstes Fazit

Darum rate ich hier zur Zurückhaltung um der Opfer willen – aber auch des Täters willen. Schnell hat man eine Meinung gebildet ohne ein objektives Bild der Situation zu haben. Vorurteile haben noch niemals Gutes hervorgebracht.

Unsere jungen Leute brauchen eine gesunde Gesellschaft, die ihnen Halt und Wegweisung aufzeigt. Vom sicheren Raum der Familie, die die kleinste Zelle der Gesellschaft ist, bis hin zum schulischen Bereich (un darüber hinaus) ist jede erdenkliche Hilfe notwendig. Politik hat hier nicht alle Antworten, kann aber einen Rahmen zur Verfügung stellen und Lösungsmöglichkeiten unterstützen.